Die Hebel in der Hinterhand, wo befinden sie sich, und wie wirken sie?
Wer sich mit Biomechanik beschäftigt hat, weiß die Hebel in den Hanken zu verorten. Wer sich mit Biotensegrität auskennt, ist sich ihres Nichtvorhandenseins sicher. Die Vorstellungen gehen offensichtlich weit auseinander. Eine gemeinsame Diskussionsgrundlage lässt sich vielleicht in der Physik finden. Schauen wir uns doch die einfachen Hebelgesetze an. Das ist Physik. Physik steht für Versuch und Irrtum, für wiederholbaren Versuchsaufbau und Berechenbarkeit.
Bei der Berechnung von Hebeln gilt das Hebelgesetz. Um das folgende Hebelgesetz anwenden zu können, bedarf es eines angemessenen (entsprechend steifen und stabilen) Hebels und eines fixen Auflagepunktes.
Das Produkt aus aufgewendeter Kraft und der Länge des Kraftarms entspricht dem Produkt aus der zu bewegenden Last und dem Lastarm.
F1 x a1 = F2 x a2 Kraft mal Kraftarm = Last mal Lastarm.
Daher berechnet sich die aufzuwendende Kraft wie folgt:
F1= (F2 x a2) : a1
Die Kraft entspricht dem Produkt aus Last und Lastarm, geteilt durch die Länge des Kraftarms.
Der Trick beim Hebeln besteht darin, dass man einen Fixpunkt hat, auf den man die Hebelstange auflegen kann und dass man dadurch weniger Kraft benötigt als bei direkter Einwirkung.
Bei eingehender Betrachtung der Hinterhand zeigt sich: Es gibt keinen Knochen, der in der Art eines Hebels über einen wie auch immer fixen Punkt gelegt, eine hebelnde Kraftwirkung erzeugen könnte. Zwei übereinander befindliche Knochen wie Röhrbein und Unterschenkel oder Unterschenkel und Oberschenkel können miteinander einen bzw. verschiedene Winkel bilden, aber keinen Hebel.
Winkel und Hebel sind zwei sehr unterschiedliche Dinge, die eher wenig miteinander zu tun haben. Der Winkel zwischen Kraftarm und Lastarm beträgt im Normalfall 180°. Kraftarm und Lastarm bilden zusammen eine Gerade, sie sind durch den Fixpunkt der Hebelauflage definiert, sie sind definierte Bereiche EINES Hebels. Der Kraftarm ist der Teil des Hebels, der vor dem Fixpunkt liegt, der Lastarm der Teil dahinter ( siehe Video).
Beim Werkzeug "Kuhfuß" haben wir einen gewinkelten Hebel, auch das ist möglich. Der Winkel ist allerdings starr und bei angemessenem Gebrauch (kaputtmachen geht immer) unveränderbar.
Zurück zur Hinterhand: Es gibt Knochenvorsprünge, die dem Freund des Hebels Hoffnung geben. Da ist zum Einen das Fersenbein, da könnte man doch... Nein, leider nicht. Das Fersenbein ist nur optisch ein Teil des Röhrbeines. Es ist ein eigener Knochen, der zwar wirkt, als gehöre er zum Röhrbein, es aber nicht tut. Das Fersenbein gehört zum Sprunggelenk.
Als nächstes auf dem Weg nach oben sehen wir die Kniescheibe, ebenfalls ein Einzelteil und weder als Fixpunkt noch als Hebelelement zu bezeichnen.
Beim Becken wird es interessant. Man könnte den Oberschenkelkopf als Fixpunkt bezeichnen, die Sitzbeine als Kraftarm und den Beckenbereich vor dem Hüftgelenk als Lastarm.
Genau damit geht es im Video weiter. Der erste Teil dieser Betrachtung ist auf Youtube verfügbar, ich hoffe, er gefällt euch!
https://youtu.be/9qzJKUERNTw
Ergänzung:
Natürlich kann man diese Rechnung noch viel genauer anstellen. Wenn ich den Lastarm in zehn Zentimeter lange Abschnitte einteile, jedem dieser Abschnitte ein 1/13 des Gesamtgewichtes zuteile und neu rechne, wird die berechnete Kraft für den Kraftarm geringer. Wenn ich andererseits jedoch einrechne, dass die Kraft am Kraftarm nicht senkrecht wirkt, sondern dass ein Vektordreieck entsteht, erhöht sich das Ergebnis wieder. Wenn ich Beschleunigung oder gegenwirkende Kräfte aus der Vorhand einbeziehe, erhöht es sich ebenfalls. Es geht im Video aber nicht um Genauigkeit sondern darum, beliebte Bewegungsvorstellungen mit einem echten theoretischen Fundament zu versehen.
Es geht genau genommen nicht um Biomechanik, sondern um die in Reiterkreisen vorherrschenden Interpretationen von Biomechanik und die Wirkung biomechanischer Terminologie auf die Bewegungsvorstellungen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen